Eine Achterbahnfahrt ist eine lahme Angelegenheit im Vergleich zu den irren Ölpreiskapriolen der letzten Wochen. Nach der steilen Talfahrt ab Mitte Mai geht es nun seit Ende Juni ähnlich vehement nach oben. Aber wie lange?
Von über 54 Dollar je Barrel Brent-Öl auf 45 Dollar in gut einem Monat – einen Absturz um fast 20 Prozent in so kurzer Zeit erlebt selbst der leidgeprüfte Preis für das schwarze Gold nur selten. Und ebensowenig eine vor eineinhalb Wochen einsetzende Erholung um über zehn Prozent auf fast 50 Dollar. Damit hat der Ölpreis gerade die längste ununterbrochene Rallye seit 2012 hingelegt – acht Tage hintereinander.
Diese hektischen Bewegungen zeigen zweierlei: Erstens, dass die Angebots-Nachfrage-Balance am Ölmarkt so fragil ist, dass schon kleine unerwartete Zuwächse oder Abnahmen der Fördermengen genügen, um die Preise in die jeweils entgegengesetzte Richtung zu treiben. Zunächst waren es im Frühjahr die US-Fracker, die den Ölpreis von über 50 Dollar zu massiven Produktionsausweitungen nutzten. Hinzu kam, dass das Bügerkriegsland Libyen überraschend viel Erdöl pumpen konnte, ebenso wie das immer wieder von Unruhen geplagte Nigerien.
Zweitens, dass die Spekulationen an den Terminmärkten und von Short-Sellern in solchen engen Marktphasen die Preise extrem stark ausschlagen lassen können. Vor allem Hedge Fonds haben ab Mai massiv auf fallende Preise gesetzt. Allerdings hat das Tempo zuletzt nachgelassen, und seitdem der Ölpreis gedreht hat, sind vermehrt Short-Eindeckungen zu beobachten, die den Schwung der jüngsten Preiserholung zusätzlich beschleunigt haben.
Die Wende nach oben mit eingeleitet haben erneut die US-Fracker: Sie haben ihre Produktion weniger stark ausgeweitet als bisher angenommen, und vorige Woche ist erstmals nach 23 Wochen die Zahl der Ölbohrtürme in den USA wieder zurückgegangen. Das lässt vermuten, dass es sich für einige US-Driller bei Preisen unter 50 Dollar nicht lohnt, Bohrtürme in Betrieb zu nehmen. Hinzu kommt, dass die Öllagerbestände in den Industriestaaten außerhalb der USA deutlicher abnehmen als in den USA, auf deren Lagerbewegungen die Märkte aber besonders reagieren. Das Ziel der OPEC, mit ihrer Förderkürzung die Ölläger in die Balance zu bringen, ist damit trotz der höheren Produktion schon näher als bisher angenommen, auch dank der robusten Konjunktur, die den Ölhunger vergrößert.
Wenn es nach den Mustern der vergangenen zwölf Monate geht, so müsste sich der Ölpreis unter starken Schwankungen zwischen grob 45 und 57 Dollar je Barrel Brent-Öl bewegen. Unter 45 Dollar bekommen die amerikanischen Fracking-Firmen Ertragsprobleme und drosseln die Produktion, über 57 Dollar sind ein Anreiz, die Förderung kräftig auszuweiten.So gesehen wären also von den derzeit knapp 50 Dollar aus noch viel Spielraum für eine anhaltende Ölpreiserholung. bei Preisen über 55 bis 57 Dollar werden dann die Produktions- und Nachfragedaten entscheiden, ob sich das Muster wiederholt und Spekulanten relativ leicht verdientes Geld beschert. Oder ob die OPEC doch noch ihr Ziel erreicht, den Ölpreis über die 60-Dollar-Marke zu hieven.
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